Die Notwendigkeit der Abhängigkeit

Die Notwendigkeit der Abhängigkeit

(Das ist Teil 1 von 2 einer kurzen Serie über unsere Abhängigkeit als Seelsorger.
Teil 2: Die Gefahr der Abhängigkeit)


Ist es eine passende Einstellung, von jemandem oder etwas abhängig zu sein? Oft ist die Antwort auf diese Frage „nein“ (und sollte es auch sein). Von der Abhängigkeit von chemischen Substanzen, über den völlig gesunden 30 jährigen Mann, der noch immer ganz von seinen Eltern abhängig ist, bis hin zum Ratsuchenden, deren Gehorsam gegenüber Christus von der Nötigung ihres Seelsorgers abhängt (mehr dazu in TEIL II) – Abhängigkeit ist keine generell gute Sache.

Was jetzt!? Fallen wir als Christen und Seelsorger von der anderen Seite vom Pferd und streben nach Unabhängigkeit von allem und jedem?

Nur eine Rebe

In Johannes 15 weist uns Jesus in unsere Schranken:


Bleibt in mir, und ich bleibe in euch! Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.
(Joh 15,4-5; SCH2000).


Geschwister im Herrn, ich hoffe, ihr habt das verstanden – ohne Jesus können wir nichts tun. Das hört sich für mich ein bisschen nach Abhängigkeit an…

Wenn wir unabhängig handeln, sind wir nicht mit dem Weinstock verbunden und können nichts tun – wir sind nur ein lebloser Zweig. Erst wenn wir mit dem Weinstock verbunden sind, erhalten wir die notwendigen Nährstoffe, um uns selbst zu ernähren und dann wiederum Frucht zu produzieren.

Ein Teil unserer Mission als Seelsorger ist das, wozu Paulus berufen wurde:


Und davon reden wir auch, nicht in Worten, die von menschlicher Weisheit gelehrt sind, sondern in solchen, die vom Heiligen Geist gelehrt sind, indem wir Geistliches geistlich erklären. Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt werden muss.
(1Kor 2,13-14; SCH2000).


Die Wahrheiten, die wir unseren Ratsuchenden vermitteln müssen, sind geistlicher Natur. Im Fleisch sind wir nur in der Lage, menschliche Weisheit zu vermitteln. Daher sind wir auf den Geist Gottes angewiesen, Sein Wort zu benutzen, um unseren geistlich verständigen Ratsuchenden lebenspendende Wahrheiten zu vermitteln.

Wie kultivieren wir dann ein abhängiges Herz?

Beständige Abhängigkeit

Der offensichtlichste Ausdruck der Abhängigkeit im christlichen Leben ist das Gebet. Zu Beginn von Lukas 18 beschreibt Jesus eine Witwe, die beharrlich bei einem ungerechten Richter in ihrer Gegend um Gerechtigkeit bittet. Die Witwe begreift, dass sie keinen Anspruch auf ihr Recht hat, sofern der Richter nicht handelt. Irgendwann gibt der Richter nach und gibt ihrer Bitte statt. Jesus setzt diese Tat mit unserem Bedürfnis gleich, zu Ihm zu schreien – und Er ist viel besser als ein ungerechte Richter!

Ist dein Ratsuchender weit von Christus entfernt? „ Ihr habt es nicht, weil ihr nicht bittet.“ (Jak 4,2b; SCH2000). Bist du dir nicht sicher, welche Bibelstelle du mit einem der ratsuchenden Ehepaaren aufschlagen sollst? „ Wenn es aber jemand unter euch an Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen gern und ohne Vorwurf gibt, so wird sie ihm gegeben werden.“ (Jak 1,5; SCH2000). Wir brauchen Weisheit, und sie kommt allein vom Herrn.

Deshalb nimm dir Zeit zum Beten – besonders kurz vor beginn der Seelsorgetreffen. Das Ausmaß deiner Abhängigkeit kann an der Häufigkeit deines Gebets gemessen werden. Wenn du nicht im Namen deiner kämpfenden Ratsuchenden (oder in deinem eigenen Namen, wenn du ihnen dienst) zu dem gerechten Richter schreist, wovon/von wem könntest du stattdessen abhängig sein?

Eines ist notwendig

Lukas 10 ist einer meiner bevorzugten Stellen für Menschen, die nicht davon überzeugt sind, dass sie ihre Bibel lesen sollten. Dort finden wir eine bekannte Geschichte: Jesus interagiert mit zwei Schwestern, Maria und Martha. Ab Vers 38 bekommen wir einen kleinen Einblick, wie die beiden Frauen denken. Martha war damit beschäftigt, Gastfreundschaft zu üben und zu dienen, während Maria zu den Füßen Jesu saß. Wir sehen den Vorwurf von. Martha und sind überrascht, an wen er sich wendet und warum.


Martha aber machte sich viel zu schaffen mit der Bedienung. Und sie trat herzu und sprach: Herr, kümmerst du dich nicht darum, dass mich meine Schwester allein dienen lässt? Sage ihr doch, dass sie mir hilft! Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du machst dir Sorge und Unruhe um vieles; eines aber ist Not. Maria aber hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden!
(Lk 10,40-42; SCH2000).


Zuerst wird Jesus getadelt, was nie eine gute Idee ist.

Dann wird Martha getadelt, aber nicht aus den Gründen, die wir erwarten würden. Martha hat weder geflucht noch eine falsche Absicht gehabt, sie hat gastfreundlich gedient – warum die starke Rüge? Es war nicht das, was sie getan hat, sondern das, was sie vernachlässigt hat.

Jesus benutzt eine seltsame Redewendung: „Eines aber ist Not…“. Hat dich die Tiefgründigkeit dieser Aussage schon einmal gepackt? Nur eine Sache ist notwendig! Was ist diese eine Sache – was ist der „gute Teil“, den Maria gewählt hatte? Wir finden ihn in Vers 39: „ Und diese hatte eine Schwester, welche Maria hieß; die setzte sich zu Jesu Füßen und hörte seinem Wort zu.“ (Lk 10,39; SCH2000).

Um effektive Seelsorger zu sein, müssen wir abhängige Seelsorger sein.

Es ist kein Geheimnis, dass das Bedürfnis nach praktischer biblischer Wahrheit im Leben der Verletzten unsere Fähigkeit, allen Bedürftigen zu helfen, bei weitem überwiegt. Auf Martha-ähnliche Weise können wir uns sehr leicht in unserem eigenen Willkommen/Dienst-Zyklus gefangen finden und die eine Sache vernachlässigen, die notwendig ist. Wir öffnen die Lehre Jesu und sitzen zu Seinen Füßen.

Wir erwarten es von unseren Ratsuchenden, aber tun wir es auch? Uns mit dem Dienst zu beschäftigen, während unsere Bibeln ungeöffnet auf Armeslänge liegen, ist dasselbe, wie Marthas gastfreundlicher Dienst, während Jesus im anderen Raum lehrt. Jesus sprach nicht nur die falschen Prioritäten in Marthas Leben an – Er betonte ihre fehlende Abhängigkeit von Ihm.

Abhängigkeit ist harte Arbeit

Abhängigkeit bedeutet nicht, dass wir uns nicht vorbereiten (Sprüche 21,5). Abhängigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Selbstgefälligkeit (Zephanja 1,12). Die Arbeit eines Seelsorgers ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Arbeit, Weisheit und Verständnis erfordert. Sprüche 20,5 beschreibt eine der vielen Aufgaben des Seelsorgers:


Tiefes Wasser ist das Vorhaben im Herzen eines Mannes; ein verständiger Mann aber schöpft es aus.
(Spr 20,5; SCH2000)


Es ist harte Arbeit, zu beraten. Es ist viel schwieriger, es gut zu machen. Es ist unmöglich, biblische Seelsorge ohne das eingreifen des Wunderbaren Ratgebers auszuüben.

Wenn wir um Weisheit gebetet und zu den Füßen des Lehrers gesessen haben, sind wir wohlgenährte Reben, die bereit sind, zur Ehre des Weinstocks Frucht zu bringen.



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